I – Prima Regula II – Gesetze III – Gewohnheiten
Prima Regula des Deutschen Ordens – G E S E T Z E
G 1: (a) Brüder sollen außerhalb der festgelegten Zeiten nicht aus Leichtsinn oder zur Ablenkung unbekleidet in die Kirche oder in ein Haus oder andere Orte gehen, noch dort essen oder trinken, es sei denn, sie sind krank.
(b) Brüder sollen in Häusern ohne besondere Erlaubnis nichts trinken, außer Wasser, und das nur außerhalb der Mahlzeiten, es sei denn unmittelbar nach der Non (der neunten Stunde) oder bei der Zwischenmahlzeit oder mit Gästen.
(c) An Orten, wo sich unsere Brüder aufhalten, soll keiner der Brüder außerhalb des eigenen Hauses essen, es sei denn gelegentlich mit besonderer Erlaubnis bei Prälaten und religiösen Personen, bei denen sie jedoch trinken dürfen.
(d) Wenn zwei oder mehrere Brüder in ein Dorf kommen, wo wir kein eigenes Haus besitzen, sollen sie, wenn möglich, gemeinsam Unterkunft nehmen.
(e) Briefe, die aus irgendeinem Grund verdächtig erscheinen, sollen die Brüder sorgfältig prüfen, bevor sie sie annehmen oder weiterleiten.
(f) Keiner der Brüder darf ohne Erlaubnis des Meisters oder des Provinzials Besitz im Wert von mehr als einer Mark Silber kaufen, noch einem Einzelnen oder mehreren mehr als eine Mark oder den entsprechenden Wert leihen; er soll sich jedoch bemühen, auch dies nach Möglichkeit zu vermeiden, wenn es ratsam erscheint.
(g) Zwei Brüder sollen nicht gemeinsam auf einem Pferd reiten, es sei denn, auf einer Durchreise über Wasser oder bei großer Notwendigkeit.
(h) Niemand von den Brüdern soll jemandem oder irgendeiner Sache in seinem Schutz besondere Aufnahme gewähren, es sei denn, er hat zuvor erklärt, dass, wenn auf dem Weg irgendein Schaden geschehe, keinerlei Ersatz geleistet werde.
(i) Keiner der Brüder soll eine Empfehlung annehmen, wenn es irgendwie möglich ist, es sei denn schriftlich.
(k) Keiner der Brüder soll Vieh oder Tiere von außerhalb mit den unseren zusammenbringen oder zur Bewachung übernehmen, ohne Erlaubnis des Vorgesetzten.
(l) Keiner der Brüder soll ohne Erlaubnis des Meisters oder des Provinzials oder des Komturs mit Kalk Kirchen oder Häuser bauen.
(m) Brüder sollen nicht auf Jahrmärkte oder Messen gehen oder dort verweilen, es sei denn, es ist notwendig, und selbst dann sollen sie sich so schnell wie möglich wieder entfernen.
(n) Keiner der Brüder soll wissentlich Pferde oder andere Hilfe für einen Krieg gegen Christen oder für irgendeine böse Tat verleihen.
(o) Brüder sollen keinen Würzwein herstellen oder in ihrem Haus trinken, und wenn ihnen solcher von Freunden angeboten wird, soll er den Armen gegeben werden; wird ihnen jedoch solcher im Haus anderer angeboten, sollen sie ihn in Maßen trinken.
(p) Kein gesunder Bruder soll in einem Haus in einem Federbett schlafen ohne Erlaubnis, es sei denn, es handelt sich um Gäste oder Kranke.
(q) Damit kein Christ beleidigt werde:
Kein Bruder soll es wagen, einen Christen einen Verräter oder Abtrünnigen oder jemanden mit schändlichen Worten wie „Hurensohn“ oder ähnlichem zu beschimpfen.
G 2. Über das Abhalten des Kapitels.
Die Brüder sollen an allen Sonntagen in ihren Häusern oder im Feldlager, soweit es möglich ist, ein Kapitel (Versammlung) halten.
(a) Wir bestimmen, dass alle Amtsträger, die durch das Generalkapitel eingesetzt wurden, jedes Jahr im genannten Kapitel ihre Ämter niederlegen müssen. Ebenso sollen diejenigen, die ohne Kapitel zu einer Leitungsaufgabe bestellt wurden, außerhalb des Kapitels vor dem Vorgesetzten und denen, die von ihm dazu berufen sind, ihre Ämter niederlegen.
(b) Wir bestimmen ebenfalls, dass das Generalkapitel jedes Jahr vom Komtur von Livland, Deutschland, Preußen, Österreich, Apulien, Rumänien, Armenien abgehalten werden soll und dass in der genannten Weise vor ihnen die Ämter niedergelegt werden. Die Amtsträger sollen ihre Ämter niederlegen, wobei zu beachten ist, dass diejenigen, die ihr Amt niederlegen, zugleich auch die Abrechnungen der Schulden, Einkünfte und den Zustand der Häuser so, wie sie sie vorgefunden haben, schriftlich niederlegen und übergeben.
(c) Wir bestimmen, dass Brüder, die nach der ersten Entlassung mit Erlaubnis aus dem Orden zurückgekehrt und wieder aufgenommen wurden, wenn sie ein zweites Mal die Erlaubnis erhalten haben, in einen anderen Orden überzutreten, und danach ein zweites Mal versuchen, in den alten Orden zurückzukehren, zur Ableistung eines einjährigen Büßertums aufgenommen werden sollen. Und dies soll ihnen vor dem Wiedereintritt in den Orden ausdrücklich erklärt werden.
(d) Wir bestimmen, dass, wenn irgendeiner unserer Brüder gegen die Satzungen seines Ordens appelliert und, obwohl er ermahnt wurde, nicht innerhalb von zwei Tagen von seinem Übermut ablässt, er gezwungen wird, ein Jahr Buße zu tun.
(e) Da nämlich, wie der Glaube ohne Werke tot ist, ebenso die Werke ohne Glauben, bestimmen wir, dass die Novizen das Vaterunser, das Ave Maria und das Glaubensbekenntnis innerhalb eines halben Jahres lernen sollen. Wenn sie aber das Lernen vernachlässigen, sollen sie nach Ablauf des halben Jahres drei Tage Buße tun, so wie es dem Vorgesetzten und den Brüdern richtig erscheint. Wenn jedoch – was fernliegend sei – nach Ablauf des halben Jahres und der verbleibenden Hälfte des Jahres sie es immer noch nicht gelernt haben, sollen sie ihr Ordenskleid verlieren, bis ihnen vom Vorgesetzten und den Brüdern wieder Gnade gewährt wird. Die Überprüfung aber, ob die genannten Novizen das Vaterunser, das Glaubensbekenntnis und das Ave Maria wissen, soll irgendeinem priesterlichen Bruder in den Häusern, in denen sie sich befinden, übertragen werden, der sie dann einzeln im Geheimen prüfen soll.
(f) Wir bestimmen, dass jeder der Brüder vor Beginn des Kapitels am siebten Sonntag nach Pfingsten kniend die Dominicalgebete verrichte, um die Hilfe der siebenfältigen Gnade des Heiligen Geistes zu erflehen. Nach Beendigung des Kapitels soll er ein Vaterunser und ein Ave Maria beten. Und weil Einheitlichkeit gewahrt werden muss, sollen die Brüder, die durch andere Beschäftigungen gehindert sind, zur angegebenen Zeit vor dem Kapitel zu beten, wenn sie später ins Kapitel kommen, sich zu den anderen Brüdern setzen und dort für sich die genannten Gebete verrichten oder dies nach dem Kapitel an einem abgelegeneren Ort in Zurückgezogenheit nachholen.
(g) Da unsere Brüder früher je nach Unterschied der Orte und des Willens in verschiedener Weise Züchtigungen zu empfangen pflegten, und wir die Einheitlichkeit stärken wollen, bestimmen wir, dass in der Fastenzeit vor Weihnachten und in der österlichen Fastenzeit dreimal in der Woche, nämlich am Montag, Mittwoch und Freitag, die Brüder zu passender Zeit gemeinsam die genannten Züchtigungen empfangen sollen. Zu anderen Zeiten soll dies an allen Freitagen beachtet werden, außer in den Oktaven der Hochfeste der neun Lektionen. Ausgenommen davon sind Brüder auf Reisen, die außerhalb der Häuser untergebracht sind, sowie kranke oder schwache Brüder oder jene, die zusammen mit anderen häufig die Kirche besuchen; diese dürfen mit Erlaubnis des Vorgesetzten von den genannten Züchtigungen absehen.
G 3: Einige Bestimmungen, wie sie im Folgenden dargelegt sind:
a. Wir bestimmen, dass die göttlichen Ämter im gesamten Orden einheitlich gehalten werden, damit es leichter und ordentlicher vollzogen werden kann. Wir wollen, dass das Brevier, das wir durch diese Vorschriften anordnen, sowohl für das Nacht- als auch das Tagzeitengebet in allen Häusern gehalten wird, wobei alle anderen Formen und Bräuche, die sich in der Ausführung des göttlichen Dienstes eingeschlichen haben könnten, unterlassen werden sollen.
b. In allen Häusern soll ebenso eine Regel vorhanden sein, durch welche die Brüder dazu angehalten werden, täglich gemeinsam und aufmerksam zu hören, mindestens jedoch sechs Mal pro Woche. Zu geeigneten Zeiten im Jahreskreis, nämlich Ostern, Pfingsten, Mariä Himmelfahrt, anderen Festen der Heiligen, Weihnachten, Mariä Reinigung, sollen die Brüder diese Lesungen öfter hören können, wenn es ihnen gefällt.
c. Es soll keinem Kleriker oder Laien erlaubt sein, außerhalb des Ordens das Beichtsakrament zu empfangen, es sei denn, es wurde besondere Erlaubnis eingeholt.
d. Wenn Brüder zu geistlichen Diensten gerufen werden, sollen sie stets in reiner Kleidung und in ehrbarem Benehmen auftreten.
e. Brüder, die mit der Verwaltung der Schlüssel betraut sind, sollen selbst dafür sorgen, dass nichts Unnötiges an das Hauspersonal übergeben werde.
f. Die Messdiener in den Häusern sollen ehrfürchtig an der Messe und zu allen anderen Zeiten auftreten.
g. An Orten, an denen die Natur es erfordert, sollen zuvor Sitze eingerichtet werden, und in diesen Sitzen soll von den Brüdern stets Schweigen bewahrt werden.
h. Der Leib des Herrn (die Hostien) und die Gefäße des Chrisams sowie das Öl für die Kranken sollen an einem sicheren Ort verwahrt werden. Die Palla des Altars soll alle zwei Wochen erneuert werden. Die Gewänder, die für den Dienst am Altar bestimmt sind, sollen stets sauber und rein erscheinen, damit die Feierlichkeit der Kleidung die Andacht fördere. Alles soll auch an einem sauberen Ort sorgfältig verwahrt werden.
i. Die Priester sollen bei der Krankenpflege ohne Ansehen der Person sowohl den Armen wie den Reichen die Sakramente der Kirche gleichsam spenden, soweit es möglich ist. Wenn sie zum Kranken gehen, sollen sie in sauberer Kleidung und mit Superpelliceum bekleidet sein; der Messdiener ebenfalls mit Superpelliceum und mit einer Laterne oder Kerze vorangehen. Die Priester sollen nicht ohne Erlaubnis der Obrigkeit besondere Gewänder tragen, sondern im Chorrock gehen, ebenso die Messdiener, wenn sie von auswärts kommen. Der Krankenbesuch soll nicht mit einem wertvollen silbernen Kelch erfolgen, sondern mit einem schlichteren, eigens für diesen Zweck bestimmten Kelch. Sollte der Besuch außerhalb des Hauses nötig sein, so möge dies geschehen, wie es am besten und sichersten möglich ist. Ebenso soll der Kelch für die Kranken außerhalb des Hauses stets in einem sauberen Tuch eingewickelt sein.
k. Die Studenten sollen besonders darauf achten, dass die Kirchen des Ordens sauber und frei von Staub und Unrat gehalten werden, damit nichts Unziemliches die Feierlichkeit der Gottesdienste und der kirchlichen Räume beeinträchtigt, sondern dass sie dem Gottesdienst entsprechend ordentlich geschmückt sind.
G 1: Über Brüder, die ungebildet sind.
Ungebildete Brüder dürfen im Habit ohne Erlaubnis keine Schrift lernen; diejenigen jedoch, die es zuvor bereits gelernt haben, dürfen sie rechtmäßig benutzen.
G 2: Über Priester und klerikale Brüder.
Priester und klerikale Brüder sollen verehrt und in notwendigen Dingen vor anderen bevorzugt werden, weil sie durch die Heiligkeit ihrer Weihe, den Rang des Ordens, den religiösen Eifer und den Eifer für die Einhaltung der Ordensregel herausragen.
G 3: Über den Bruder, der vor dem Meister eine Bußpflicht übernommen hat.
Wenn ein Bruder vor dem Meister oder dessen Stellvertreter eine Buße übernommen hat, kann ihn kein Lehrer, Marschall oder ein anderer Untergeordneter ohne Erlaubnis des Meisters davon entbinden, falls der Meister so nahe ist, dass er zu diesem Zweck aufgesucht werden kann. Wenn jedoch der Meister an einem weit entfernten Ort ist an einen anderen Ort zurückziehen sollte und die Bußpflicht des Bruders gut erfüllt worden wäre und nicht abgehalten werden könnte, so ist es dem Präzeptor erlaubt, zusammen mit anderen Brüdern, die im Kapitel versammelt sind, besagte Bußpflicht aufzuheben.
G 4: Dass die beauftragten Brüder den Konventsbrüdern kein Geld geben sollen.
Beauftragte Brüder dürfen den Konventsbrüdern ohne die Erlaubnis der Oberen kein Geld geben. Ausgenommen sind der Präzeptor und der Marschall, die ihnen Geld für Einkäufe oder für Angelegenheiten, die zu ihrem Amt gehören, geben dürfen; doch soll auch dies maßvoll geschehen. Auch der Präzeptor soll nicht beliebig einzeln etwas für den Kauf von Lebensmitteln geben.
G 5: Dass die Konventsbrüder kein Geld über Nacht aufbewahren sollen.
Wenn Konventsbrüder aus irgendeinem Anlass Geld empfangen haben, dürfen sie es nicht über Nacht ohne die Erlaubnis der Oberen aufbewahren, sondern sollen es entweder sofort ausgeben oder zurückgeben, es sei denn, es handelt sich um einen Bruder, der mit Erlaubnis regelmäßig Geld für verschiedene und gemeinschaftliche Angelegenheiten bei sich zu tragen pflegt. So ziemt es sich, dass die Brüder das Notwendige gemeinsam besitzen und in allen Dingen Überflüssiges, Eigenmächtiges, Sonderwünsche, unlauteren Gewinn meiden, wodurch das Heil der Seelen gefährdet wird sich den ihnen anvertrauten Dingen, Geschäften und Aufgaben so widmen, dass sie nicht durch eigene Schuld oder Nachlässigkeit Gott beleidigen.
G 6: Über die Bescheidenheit der Amtsinhaber.
Alle Brüder, die ein Amt innehaben, ob klein oder groß, sollen sich darum bemühen, den übrigen Brüdern das, was ihnen zu geben ist, entweder freundlich und maßvoll zu geben oder freundlich und bedacht zu antworten, damit durch sie nicht anderen Anlass zur Unruhe gegeben werde. Und was sie nicht wollen, dass es ihnen selbst geschehe, das sollen sie anderen nicht tun; was sie wünschen, dass es ihnen selbst geschehe, das sollen sie vielmehr anderen tun. Sie sollen sich eher als Diener verstehen denn als Herren über andere.
Und nicht nur soll der Bruder dem Bruder wohlwollend begegnen, sondern es ziemt sich auch, dass er dies gegenüber allen Brüdern tut, ja gegenüber allen Menschen, mit denen er Umgang pflegt, und dass er durch ein gutes Leben ein Beispiel von beständiger Bescheidenheit und Disziplin gebe.
G 7: Über den Gebrauch von Süßigkeiten.
Süßigkeiten, Konfekt, Sirup und dergleichen sollen die Brüder ohne Erlaubnis nicht gebrauchen.
G 8: Über die Mahlzeiten der Brüder und des Meisters.
Der Meister und alle gesunden Brüder sollen an der Tafel des Konvents sitzen, indem sie gleiche Speisen und Getränke zu sich nehmen. Und die Brüder, welche dieses Amt der Speisung ausüben, sollen sich bemühen, die Menge der Speisen und Getränke gerecht auf einzelne Schüsseln und einzelne Becher zu verteilen.
Von Fleisch und Fisch aber wird nur so viel dem Meister gegeben werden, wie für vier Brüder ausreichen würde, damit er aus seinem Überfluss den Brüdern, die wegen Buße oder aus anderen Gründen beisitzen, denen er etwas zukommen lassen möchte, etwas geben kann.
Kein Bruder darf einem anderen Bruder seine Schüssel schicken, außer in kleinen Häusern, wo die Versorger ihre Schüsseln jenen schicken können, die sie für bedürftig halten.
Auch Brüder, welche wegen geschäftlicher Dringlichkeit beim ersten Mahl des Konvents und beim zweiten Dienst nicht anwesend sind, dürfen beim dritten Mahl mit Erlaubnis des Bruders, der für die Speisen verantwortlich ist, von ihrem Essen den dienenden Brüdern, die mit ihnen von der Arbeit zurückkehren, einen Teil geben.
Brüder jedoch, die wegen Krankheit nicht gemeinsam mit den übrigen Brüdern essen können, sollen am Tisch der Kranken speisen, der, wie er den Gesunden verboten, so den Kranken erlaubt ist. Wenn aber jemand, der diese Erlaubnis nicht braucht, sich dort niedersetzt, obwohl er sich auch an den Konventstisch hätte setzen können, so soll er wissen, dass er schwer gegen die Ordnung verstoßen hat – es sei denn, ein Gesunder wäre durch Erlaubnis der Oberen eigens zum genannten Kranken-Tisch beordert worden.
Für diesen Tisch der Kranken soll sparsamer gesorgt werden, je nach den Möglichkeiten des Hauses, sodass er mindestens ein Gericht weniger haben soll als der Konvent.
Gesalzenes Rindfleisch, gesalzener Käse, Linsen, Bohnen mit Schale oder andere weniger gesunde Speisen dürfen nicht wegen eines Gerichtes an den genannten Tisch der Kranken gegeben werden. Wenn jedoch zur Ermunterung einige Brüder aus irgendeinem Grund nachträglich oder zuvor an diesen Tisch gesetzt werden, sollen sie von den genannten Speisen keine Stärkung erhalten.
G 9: Über die Verpflegung des Meisters, wenn er krank ist.
So oft der Meister an dem Tisch der Kranken isst, ist es angemessen, dass die Brüder besser für ihn sorgen. Wenn er aber über längere Zeit ärmere Speisen nötig hat und weder die gemeinschaftlichen noch die gewohnten Speisen dieses Tisches ausreichen würden, dann soll er zuvor oder auch in seinem Zimmer essen, denn es wäre sehr aufwendig, wenn besondere Speisen, die nur er allein benötigt, mehrmals unter die gemeinschaftlichen Speisen geteilt werden müssten.
G 10: Was ein Bruder tun darf, wenn er zu erkranken beginnt.
Wenn ein Bruder beginnt, krank zu werden, darf er drei Mal in seinem Bett essen, wobei er kein Fleisch, keine Eier, keinen Käse, keinen Fisch oder Wein zu sich nehmen soll.
Wenn die Krankheit fortschreitet, soll er in die Krankenstube gehen, aber zuvor beichten und die Kommunion empfangen, oder er soll mit Rat der Priester damit warten und, falls nötig, gesalbt werden. Der Präzeptor, der Marschall und die anderen Amtsträger sollen dafür sorgen während der Zeit seiner Krankheit im Krankensaal liegen, außer nur jener, der für die Zeit die Stelle des Meisters vertritt.
G 11: Über das, was zur Versorgung der kranken Brüder gehört.
Der Präzeptor soll für die Brüder einen Arzt besorgen, der darauf hingewiesen werden muss, dass er für alle gleichermaßen Sorge tragen soll, und alle Brüder sollen seinem Rat gehorchen.
Der Verwalter der Krankenstation soll sich bemühen, allen gleichermaßen das Nötige zu beschaffen; dem soll der Präzeptor die dafür notwendigen Ausgaben zur Verfügung stellen.
Wenn einem Bruder etwas Besonderes fehlt, soll der Verwalter der Krankenstation sich unverzüglich darum kümmern.
Kein Bruder soll es wagen, in der Stadt ohne Erlaubnis des Vorgesetzten ein Bad zu nehmen.
G 12: Über kranke Brüder.
Kein Bruder soll ohne die Erlaubnis des Meisters, wenn dieser anwesend ist, einen Trank zu sich nehmen.
Der Krankenpfleger darf seinen Kranken die Erlaubnis geben, abzulassen oder andere ähnliche Dinge zu tun.
Es soll dafür gesorgt werden, dass täglich ein Priester und ein Schüler an dem Ort das Stundengebet und das Offizium der seligen Jungfrau lesen, wo sich die Mehrzahl der Kranken befindet.
G 13: Von kranken Brüdern.
Ein Bruder, der unter Durchfall, Wunden oder anderen Krankheiten leidet, durch die er das Wohl der übrigen stört, soll abgesondert untergebracht werden, solange er solche Leiden erträgt. Wenn ein Bruder, dessen Krankheit abklingt, beschließt, die Krankenstation zu verlassen, soll er dort noch drei Tage bleiben und in dieser Zeit dort essen, um herauszufinden, ob es für ihn besser ist, zur Krankenstation zurückzukehren oder draußen zu bleiben. Wenn er aber dann endgültig austritt, soll er mit den anderen am Tisch der Kranken essen, es sei denn, der Obere gestattet ihm, vorher oder nachher zu essen und sich dabei zarter zu behandeln.
G 14: Von Brüdern, die an der Quartanfieber leiden, und von schwachen Brüdern.
Brüder, die an Quartanfieber leiden, dürfen in der Woche vor Weihnachten an den Tagen des Fastens Fleisch essen, ebenso bis zum Advent am Tisch der Kranken mit Erlaubnis des Meisters. Auch im Advent dürfen sie essen, wenn ihre Schwäche es dringend erfordert. Sie sind nicht verpflichtet, die Stunden des Stundengebets oder den Chor gemeinsam mit den übrigen Brüdern regelmäßig zu besuchen.
G 15: Von schwachen Brüdern.
Auch Brüder, die mit den übrigen nicht imstande sind, die üblichen Kniebeugen und Stationen einzuhalten, sollen hinter den anderen stehen.
Für alte, junge oder sonst schwache Brüder soll der Obere Sorge tragen, dass sie menschlicher und rücksichtsvoller behandelt werden.
G 16: Dass die Brüder sich Plätze suchen sollen zum Hören des Gottesdienstes.
Jeder Bruder soll sich rechtzeitig vor dem Gottesdienst einen Platz suchen, an dem er die Gebete hören kann. Und wenn er bemerkt, dass ein Bruder bei den Matutinen oder zu anderen Gebetszeiten einzuschlafen droht, soll derjenige, der ihm näher steht, den Abwesenden rufen oder, wenn er anwesend ist, ihn aufwecken, falls er eingeschlafen ist. Dies soll auch in den Häusern beobachtet werden.
G 17: Über die zu habende Regel.
In jedem Haus soll eine schriftlich festgehaltene Regel vorhanden sein, damit durch deren Kenntnis ein besseres Verständnis gewährleistet wird. Die anwesenden Brüder sollen auch öfter dazu angehalten werden, sie zu hören und zu beachten, wie es weiter oben vorgeschrieben ist.
G 18: Über die amtierenden Brüder.
Brüder, die mit der Verwaltung der Dinge betraut sind, sollen, so gut sie können, selbst dafür Sorge tragen. Die Schlüssel der Werkstätten sollen nicht leichtfertig den Bediensteten überlassen werden.
G 19: Über das zu wahrende Schweigen in privaten Orten.
An Orten, die der Natur entsprechend notwendig sind, vor den Sitzen und in den Sitzgelegenheiten, soll von den Brüdern stets streng Schweigen gehalten werden.
G 20: Über das weiße Tuch mit dem Kreuz.
In jedem Haus soll ein weißes Tuch mit einem schwarzen Kreuz für die Begräbnisse der verstorbenen Brüder vorhanden sein.
G 21: Über das Nicht-Ablegen der Beichte bei Fremden.
Keinem Bruder, weder Kleriker noch Laie, ist es erlaubt, einem Fremden zu beichten, es sei denn, er habe dafür die Erlaubnis seines Prälaten erbeten und erhalten.
G 22: Dass die Einrichtungen des Ordens der Kirche schön und ordentlich gehalten werden sollen.
Die Brüder sollen darauf achten, dass die Einrichtungen des Ordens der Kirche nicht durch Tropfwasser oder Staubansammlungen auf Böden, Wänden oder Sitzen verunstaltet werden. Vielmehr sollen sie entsprechend religiösen Bräuchen und der Pflege der Reinlichkeit, wie es sich für Religiose gehört, ordentlich und würdig gehalten werden.
G 23: Über die Einheitlichkeit des göttlichen Offiziums.
Im göttlichen Offizium soll im ganzen Orden Einheitlichkeit gewahrt werden. Damit dies bequem ausgeführt werden kann, wünschen wir, dass Breviere, die wir als Ordinarien bezeichnen, sowohl für das Tages- als auch für das Nacht-Offizium in allen Häusern vorhanden seien. Nach deren Form und Weise sollen, unter Auslassung aller anderen Arten, die Brüder bei der Ausübung des göttlichen Offiziums, soweit sie können, sich richten.
G 24: Über den Leib des Herrn und die heiligen Gefäße, die für heilige Dinge bestimmt sind, sowie über den Kirchenschmuck.
Der Leib des Herrn und die Gefäße des Chrisams sowie das Öl der Kranken sollen unter sicherem Verschluss und Treue aufbewahrt werden.
Das Altartuch, die Palla (Kelchtuch) und das Korporale sowie das Leinentuch des Altars sollen alle drei Wochen erneuert werden. Die Tücher sollen sauber und rein sein, damit ihre Reinheit und Sauberkeit die Ehrfurcht und Andacht der Feier bezeugen, wie es auch durch die Reinheit der Kleider zum Ausdruck kommt, welche die Feierlichkeit der Handlung unterstreichen.
Die Priester, denen die Sorge um das Seelenheil obliegt, sollen sorgfältig darauf achten, dass das Allerheiligste in einem reinen Ort aufbewahrt wird. Wenn sie zu den Kranken gehen, sollen sie in Albe und Superpelliceum (Übergewand) bekleidet sein, mit der Laterne und der Glocke, welche die Andacht der Zuhörer erwecken sollen.
Wenn sie innerhalb des Dorfes gehen, dürfen sie in Chorkleidung (Kapuze) gehen, nicht aber ohne das Superpelliceum. Wenn sie zu den Häusern der Kranken gehen, legen sie das Superpelliceum wieder an, zusammen mit der Stola, dem Kelch, dem Stängel und dem sauberen Mantel, sowie mit dem Mantel zum Schutz der Kranken.
Wenn sie aber in ein anderes Dorf oder eine andere Ortschaft gehen, wird es ebenso in angemessener Weise zu halten sein. Dasselbe gilt für die Spendung der Krankensalbung. Diese Ordnung soll bei der Spendung der Krankensalbung und bei der Mitnahme von Hostie und Kelch stets beachtet werden.
G 25. Über die Schüler (Messdiener):
Die Schüler, die in den Häusern beim Gottesdienst und zu anderen Gebetszeiten dienen, sollen ehrfürchtig im Superpelliceum (Überwurf, Chorhemd) erscheinen.
G 26: Über die Überlegung beim Handeln.
Bei allem Handeln sollen bedacht werden: die Qualität, die Zeit, der Ort, die Art und Weise, die Mittel, damit alles von der Mäßigung der Vernunft bestimmt sei.
G 27: Über das Niederschreiben der Regel.
Wir bestimmen außerdem: Welche Brüder auch immer die Regel oder die Gewohnheiten abschreiben lassen, sollen darauf achten, dass sie korrekt geschrieben werden. In allen unseren Häusern sollen die Regel und die Gewohnheiten dreimal im Jahr gelesen werden, nämlich innerhalb der Oktaven von Weihnachten und Ostern und vor der Kreuzauffindung. In allen Provinzkapiteln und an jedem Sonntag, wenn es bequem möglich ist, soll ein Teil der Regel und der Anordnungen den Brüdern erklärt werden.
G 28: Über das Anhören der Regel.
Wenn die Regel vorgelesen wird, sollen die Brüder ihre Ohren neigen und zuhören und sich bemühen zu lernen, was sie tun wollen, nicht als eine bloße Lebensweise, sondern als das, was zur Erlangung des Heils vorgeschrieben wird, damit sie sich nicht durch Vernachlässigung schuldig machen. Denn der Missbrauch des Heilmittels verschärft die Krankheit.
G 29: Da wir durch den Gehorsam zurückkehren müssen, weil wir durch Ungehorsam abgeirrt sind, sollen die Brüder demütig gehorchen und ihren eigenen Willen in allem brechen. Durch Zurechtweisungen, Anklagen und strenge Korrekturen sollen die Widerspenstigen zur Besserung gebracht werden. Denn wenn man den Widerspenstigen Nachsicht gewährt, wird die Kraft des Ordens geschwächt. Es ist auch zu beachten, dass der Befehl des Meisters die Kraft eines Gebotes hat und darauf abzielt, den Übertretern Buße zu bereiten.
G 30: Über die Liebe (Caritas).
Es wird berichtet, dass Salomo den Tempel des Herrn und alles, was darin war, mit Gold überzog und goldene Schilde anfertigte.
Unserem geistlichen Tempel fehlt Schmuck und Schutz, wenn ihm das Gold der Liebe mangelt.
Die Liebe zur Religion ist das Fundament, sie ist die Tugend und der Trost der Mühsal, der Lohn der Ausdauer und ihre Frucht. Ohne sie sind weder der Orden noch die Werke heilig, sondern nur ein Scheingebilde der Heiligkeit.
Diese Liebe also sollen die Brüder in jeder Weise umfassen, nicht nur damit sie einander nicht reizen oder verletzen, sondern gemäß dem Evangelium durch Mehrheitsbeschluss im Geist gegenseitiger Dienste und Werke der Liebe Eintracht finden.
G 31:
All das oben Gesagte steht im Ermessen des Meisters, der je nach dem Stand der Zeiten, der Orte und der Personen es mildern oder zu bestimmter Zeit aufheben kann; aber ohne die Zustimmung des Kapitels kann und darf er es nicht gänzlich und dauerhaft abschaffen.
G 32: Über die Festtage.
Dies sind die Festtage, die in den Häusern des Hospitals der Heiligen Maria der Deutschen zu Jerusalem gewöhnlich gehalten und gefeiert werden:
Im Januar: Beschneidung des Herrn, Erscheinung des Herrn, Bekehrung des heiligen Paulus.
Im Februar: Reinigung der seligen Jungfrau, Matthäus Apostel.
Im März: Verkündigung des Herrn.
Im April: Fest des heiligen Georg, des Märtyrers, gemäß dem Brauch des Vaterlandes zu feiern.
Im Mai: Apostel Philippus und Jakobus, Auffindung des heiligen Kreuzes.
Im Juni: Johannes der Täufer, Apostel Petrus und Paulus.
Im Juli: Maria Magdalena, Jakobus Apostel.
Im August: Fesseln des Apostels Petrus, gemäß der Gewohnheit des Vaterlandes zu feiern, Laurentius, der Märtyrer, Aufnahme der seligen Jungfrau Maria in den Himmel (Mariä Himmelfahrt), Bartholomäus Apostel, Enthauptung des heiligen Johannes des Täufers, wiederum gemäß dem Brauch des Vaterlandes zu feiern.
Im September: Geburt der seligen Jungfrau, der Erhöhung des Heiligen Kreuzes, des Matthäus des Apostels, des Michael Erzengels; im Oktober: des Simon und Judas
Im November: Allerheiligen, des Martin Bischofs, der seligen Elisabeth, der heiligen Katharina Jungfrau und Märtyrerin, des Andreas des Apostels
Im Dezember: des Nikolaus des Bischofs, des Thomas des Apostels, der Geburt unseres Herrn Jesus Christus, des Stephanus des Erzmärtyrers, des Johannes des Evangelisten, der Unschuldigen Kinder, nach der Gewohnheit des Landes sollen sie beobachtet werden.
Das Osterfest mit den drei folgenden Tagen, ebenso Pfingsten mit drei folgenden Tagen soll man halten. Ferner sollen die Brüder die Feste der Kirche und des Hauses, an denen sie verweilen, aufmerksam beobachten. Auch dürfen die Brüder Feste feiern an Orten, an denen sie wohnen, feiern aber nicht, um Ärgernis zu erregen, sondern zur Vermeidung von Ärgernis, und sie sollen die Feste der Orte beachten, wie es der feierliche Brauch der Patronatsrechte erfordert.
G 33: Es beginnen die Zurechtweisungen der Brüder.
Im Alten Testament wird gelesen, dass Hely, dessen eigene Sünden nicht geschrieben wurden, getadelt wurde wegen der Nachgiebigkeit und der Vernachlässigung der Zurechtweisung seiner Söhne. Denn darauf zielt jede religiöse Ordnung: damit die Ordnung bestehen bleibt, sollen die Sünden bestraft werden und jeder einzelne dem Herrn seine Gelübde erfüllen, die er mit den eigenen Lippen ausgesprochen hat. Da aber der Apostel sagt: „Wenn wir uns selbst richteten, würden wir nicht gerichtet werden“, bestimmen wir, dass selbst leichte Vergehen nicht ungestraft bleiben sollen.
Sie sollen zwar im Geheimen durch das Bekenntnis beseitigt werden, doch wenn sie öffentlich sind, im Kapitel öffentlich bekannt gemacht werden, damit der Täter die gebührende Genugtuung empfange und so das Wort des Herrn erfüllt werde, der sagt: „Nach dem Maß der Schuld…“ die Art der Verfehlungen wird es sein und das Maß der Strafen, was freilich ohne Zweifel bei schwereren Fällen zu beachten ist, doch darf es auch im Geringeren nicht vernachlässigt werden.
Denn der selige Gregor sagt: Wer im Geringen nachlässig ist, gleitet allmählich zu Größerem ab, und man soll sorgfältig vermeiden, dass, während wir große Fehler meiden, wir nicht an Kleinigkeiten scheitern wie an Sand.
Wenn also nach dem Wort des Herrn selbst auch wegen eines müßigen Wortes Menschen, seien sie noch so weltlich, vor das Gericht gezogen werden sollen, so ist es umso mehr erforderlich, die Brüder in leichten Verfehlungen des Lebens zu korrigieren, damit sie so, als jene, die sich zur Religion bekennen, durch das Urteil im Kapitel vom Feuer des Fegfeuers gereinigt werden und im Tod der Feind nichts mehr finde, was er ihnen vorwerfen kann.
G 34: Ebenfalls das Kapitel der Korrektur.
Damit aber unser Urteil vom Antlitz Gottes ausgehe und damit weder die Unschuldigen durch falsche Gerechtigkeit gefährdet werden, noch begangene Verbrechen ungestraft bleiben, haben wir nach reiflicher Überlegung bestimmt, dass bei einer von einem Bruder begangenen Schuld, sei sie leicht, schwer, schwerer oder sehr schwer, das Zeugnis von zwei Brüdern unseres Ordens, ohne jede Ausrede im Kapitel, dort, wo der Angeklagte anwesend ist, vollkommenen Glauben finden soll.
Doch in jeder Mahnung oder Beschuldigung soll derjenige Vorsicht üben, der den anderen mahnt oder anklagt, damit nicht aus Neid oder Hass gegen ihn etwas vorgebracht werde, sondern dass derjenige, der korrigiert wird, den Bruderkuss in Frieden empfange.
So haben wir daher beschlossen, begangene Verfehlungen mit der gebührenden Strafe zu verfolgen, damit die heilige Religion ihre Kraft zur Rettung der Brüder von Verleumdungen der Bösen bewahre häufiger wegen sehr geringfügiger Gründe den heiligen Männern Schande und Schaden zufügen möchten, sei es, dass ein Bruder des Ordens mit irgendwelchen Außenstehenden allein oder mit Fremden Umgang habe und wenn jener Bruder des Hauses einer Schuld überführt wird, welche eine Strafe verdient, so sollen beide, sowohl der eine als auch der andere zum Oberen des Hauses oder des Nachbarhauses gehen und mit Beiziehung von zwei oder drei besseren Brüdern diese Schuld des Bruders untersuchen, die, nachdem sie mit Fleiß die Umstände der Zeit, des Ortes, des Tages und der Stunde erforscht haben, und wenn es durch die Aussage dieser oder mehrerer Brüder feststeht, sollen sie es dem nächstgelegenen Kapitel des Konvents melden; wenn dort das Kapitel abgehalten wird, unter Ausschluss aller Außenstehenden, und dann nach dem Urteil des Kapitels, unter Berücksichtigung der Meinung des beschuldigten Bruders und der Aussagen der anwesenden Personen und der vorgetragenen Umstände, ein Urteil gefällt werden kann, dann sei dieser freigesprochen oder, wenn eine Strafe nötig ist, zu bestrafen; ein Ankläger aber, der in böser Absicht den Bruder verleumden wollte, soll derselben Strafe unterliegen, wie der, den er fälschlich anklagte.
G 35: Über Korrekturen.
Obwohl die verschiedenen Arten von Vergehen gemäß dem Maß ihrer Schuld mit bestimmten Strafen nach ihren Unterschieden erfasst sind, damit diejenigen, die zum Sündigen geneigt sind und die Liebe nicht zurückhält, nicht durch Furcht in der Sünde verharren, bleibt es doch bei der Übung der Tugend sowohl in der Regel als auch im Brauch, dass mehrere Artikel, die sich auf Übertretung und Unterlassung beziehen, einen bestimmten und festgelegten Rahmen der Buße nicht überschreiten, nach welchem allen zu verfahren ist, damit der Übertreter durch häufiges Fehlverhalten eine nicht unbedeutende Strafe sich zuzieht, welche vom Oberen beschlossen und den Brüdern gegenüber als Buße nicht vermieden werden kann.
G 36: Erste Unterscheidung.
Schuld ist:
1. Wenn ein Bruder ohne Erlaubnis einen Brief irgendeines Fremden, aus einem bestimmten Grund als verdächtig eingeschätzt, ohne zu wissen, was er enthält, mitgenommen oder getragen hat.
2. Wenn er unterwegs wissentlich den Umgang mit verdächtigen Frauen oder eine vertrauliche Nähe zu ihnen zugelassen hat.
3. Wenn er aus Begierde nach Sünde oder aus Hochmut oder aus Freude an der eigenen Redseligkeit in unziemlicher Weise zu sprechen sich erfreut hat.
4. Wenn er aus Vorsatz eine Lüge zum Schaden oder zur Täuschung eines anderen ausgesprochen hat.
5. Wenn er vorsätzlich, nicht aus Vergesslichkeit, das ihm erlaubte Gebiet oder das Haus verlassen hat.
6. Wenn er an Orten, wo das Haus des Ordens ist, mit Weltlichen ohne Erlaubnis zu essen oder zu trinken sich getraut hat.
7. Wenn er durch Drohungen, Schmähungen oder Spott eine bereits verziehene Schuld einem anderen erneut vorhält und jemand böswillig zur Unruhe reizt.
8. Wenn er ohne Erlaubnis der Regel einen Weltlichen oder Diener oder einen anderen mit der Hand geschlagen hat.
9. Wenn er entgegen der Regelvorschrift auf die Jagd gegangen oder Jäger verfolgt hat.
10. Wenn jemand Spiele betreibt, die durch den Brauch abgeschafft worden sind.
11. Wenn jemand sich anmaßt, Speise, Trank, Waffen oder Kleider grundlos wegzuwerfen.
Für diese und ähnliche Verfehlungen soll dem Büßenden eine Buße von drei Tagen oder zwei Tagen oder einem Tag im Kapitel auferlegt werden; verbunden mit körperlicher Zucht, welche er an jedem Sonntag im Kapitel empfangen soll, solange diese Buße von drei oder zwei Tagen andauert.
G 37: Über das schwere Verschulden.
(1) Ein schweres Verschulden liegt vor, wenn ein Bruder durch Nachlässigkeit das Haus in großen Schaden bringt oder etwas Großes ohne Erlaubnis gegeben hat.
(2) Wenn jemand ohne Erlaubnis anstößige, von schändlichen Machenschaften befleckte Briefe verschickt oder empfangen hat.
(3) Wenn jemand bei berüchtigten Personen wissentlich und ohne Notwendigkeit Unterkunft genommen hat.
(4) Wenn jemand ungehorsam eine Nacht außerhalb des Hauses verbracht hat.
(5) Wenn jemand im Haus oder außerhalb heimlich oder verstohlen gegessen oder getrunken hat.
(6) Wenn jemand als Verleumder in strafbaren Dingen auftritt und dabei als Unruhestifter unter den Brüdern entdeckt wird.
(7) Wenn jemand betrunken nach dem gemeinsamen Mahl erscheint.
(8) Wenn jemand wissentlich und willentlich einem Übeltäter, der Pferde, Waffen oder anderes braucht, Hilfe gewährt.
(9) Wenn jemand einen Bruder mit Stein, Stock oder einem anderen Gegenstand, der gewöhnlich nicht zum Töten dient, in Tötungsabsicht angreift oder schlägt.
(10) Wenn jemand ein von einem Vorgesetzten aus Gehorsam auferlegtes Gebot ablehnt, indem er sagt, er werde es nicht befolgen, auch wenn er später in Reue zurückkehrt.
(11) Wenn jemand einen Bruder tätlich angreift.
(12) Wenn jemand ohne Erlaubnis Bittsteller oder Sammler für Gastfreundschaft entsendet oder sich selbst anmaßt, dies zu tun.
